2010

praesens et tangere
Solo show 
Galerie Mark Müller   
17/4 – 5/6/10
Zürich

Text
Yasmin Afschar

Giacomo Santiago Rogados Arbeit liest sich als eine Spurensuche im Feld der Malerei, als ein Abtasten ihrer Möglichkeiten und ein Ausloten ihrer Grenzen. Mit dem subtilen Spiel mit verschiedenen Bildtraditionen, dem lustvollen Kombinieren von unterschiedlichen Form– und Bildwelten und der sorgfältigen Auseinandersetzung mit den Parametern der Malerei, steckt sich der junge Künstler ein sehr weites Feld, in dem er sozusagen «Bild um Bild» die Eigenschaften und Funktionen der Malerei, aber auch unserer Wahrnehmung befragt.

In der Galerie Mark Müller nun zeigt Giacomo Santiago Rogado eine Auswahl neuester Werke – eine aktuelle Bestandsaufnahme seines malerischen Kosmos, die verglichen mit jenen fulminanten Grossformaten, die Rogado noch vergangenes Jahr im Kunstmuseum Luzern zeigte, auf eine Weiterentwicklung seiner Bildsprache schliessen lässt. Nach jener kräftig–knalligen Farbigkeit der stakkatoartigen Arrangements schlägt Rogado leisere Töne an. Es sind nun sanfte Farben, leichte Formen und die visuelle Präsenz der bildtragenden Leinwand, die jene illusorischen Bildwelten öffnen, die man von Rogados früheren Arbeiten kennt. Die Motivik umfasst diffuse Farbballungen, durchbrochen von einer vertikaler Rasterung, mäandernde Zwiebelformen mit feinen Farbverläufen hinterlegt oder senkrechte Gitter, umsurrt von abstrahiertem Blätterregen.
Teilweise begegnen sich die Farben in akzentuierten Kontrasten, anderenorts stufen sie sich nur in minimalen Nuancen von einander ab. Kaum meint man jedoch eine Bildform gänzlich erfasst zu haben, hat sie sich einem schon wieder entzogen. In einem Strudel von Präsenz und Absenz baut sich in Rogados Bildern ein Spannungsfeld auf, das fesselt – der Blick wird zur Betrachtung, die Wahrnehmung zum Erlebnis.

Reizvoll unfassbar wirken auch die Titel der Werke – Phasma, Sentinel oder Arbust. Sie tragen den Klang einer entlegenen, vergangenen Welt in sich, die eigentlich die Bühne aller Arbeiten von Giacomo Santiago Rogado stellt. Auch jene der Textarbeiten, die in dieser Ausstellung erstmals gezeigt werden, in der Konsequenz von Rogados malerischer Praxis aber ein logischer Schritt sind. Lateinische Wörter in schwarzer Farbe auf mit Leinwand bezogenen Bildtafeln fügen sich zu einer Abfolge: contemplare – contemnere – oblitare: sich besinnen – abweisen – vergessen. Die Bedeutungen wecken Assoziationen zu Rogados Arbeit, ihnen haftet aber auch etwas Mysteriöses, ja Kryptisches an. Die eigenartige Symbolik der Messingstangen, die aus den Tafeln ragen, erschwert den Verdacht des Änigmatischen. Gilt es hier ein Rätsel zu lösen als Schlüssel zu jener entlegenen Welt? Rogado stellt unserer Imagination eine Denkaufgabe, die uns auf die immer gleiche Gratwanderung führt. Eine Gratwanderung zwischen Anziehung und Zerstreuung, zwischen Erinnern und Vergessen, zwischen Entschlüsseln und Verschleiern, zwischen Tagtraum und Taumel. Die virtuose Berührung in der kleinen Arbeit tener im hinteren Raum liest sich als Sinnbild für das daraus resultierende Spannungsmoment.