2019/

Desire Path
Solo show 
Kunstmuseum Solothurn  
23/9/19—16/2/20
Solothurn
2020

Der Luzerner Künstler Giacomo Santiago Rogado (*1979) hat im Bereich der Malerei neue Wege gefunden. Mit seinen Gemälden, die mehrmals in musealen Einzelausstellungen – 2009 im Kunstmuseum Luzern, 2013 im Museum im Bellpark Kriens und 2014 im Helmhaus Zürich – zu sehen waren, hat er nationale Bekanntheit erlangt. Das Kunstmuseum Solothurn hat Rogados Schaffen bereits in der Überblicksschau Das doppelte Bild (2013) präsentiert, die herausragende Posi- tionen der aktuellen Malerei beleuchtete. Nun ist ihm eine Einzelausstellung unter dem Titel Desire Path gewidmet, die sich auf das aktuelle Schaffen konzentriert. Neben Bildern werden auch Arbeiten auf Papier sowie eine neue Installation gezeigt.

Giacomo Santiago Rogado hat immer wieder bewiesen, wie subtil er mit Licht und Raum umgehen kann. Dieses Interesse spiegelt sich nicht nur in seinen Gemälden, sondern auch in ihrer überlegten Platzierung. Es erstaunt darum nicht, dass der Künstler auch für seine Solothurner Ausstellung nicht eine klassische Präsentation gewählt, sondern eine auf den Raum abgestimmte Gesamtinstallation gestaltet hat. Diese wird durch das leitmotivische Setzen von Bildern derselben Serie Coalescence, die in unterschiedlichen Grössen und Farben auftreten, unterstrichen. Die variantenreiche Wiederho- lung entspricht Rogados Schaffen, in dem Muster und Rapport wichtig sind. Der Titel Desire Path unterstreicht die Verbindung von persönlicher Freiheit und Wiederholung, steht der fast poetische anmutende englische Ausdruck doch für den deutschen Begriff „Trampelpfad“.

Saal 1: Die Ausstellung setzt im Westflügel mit Bildern der Serie Intuition ein, die den Faden seiner letzten Museumsausstellung im Helmhaus Zürich aufnehmen. Die mit Farbbädern in einem Zusam- menspiel von Zufall und Komposition geschaffenen Arbeiten beeindrucken durch ihre unmittelbare Wirkung. Die Baumwolltücher saugen in einem langsamen Trocknungsprozess die Farben auf, die der Künstler in Behälter eintröpfelt. Die Tropfen blühen auf den Stoffen zu prächtig bunten Formen aus. Während der Künstler manche Werke in einem einzigen Arbeitsgang abschliesst, wie Intuition 26 (2018) und Intuition 27 (2018) an der linken Wand, setzt er bei anderen Beispielen weitere Schritte ein, indem er nach dem ersten Trocknungsprozess bestimmte Stellen mit Silikon maskiert und die Tücher erneut in ein Farbbad legt. Zuweilen schliesst sich gar eine dritte Phase an, bei der der Künstler aktiv zum Farbpinsel greift, um auf dem noch nassen Tuch weitere Veränderungen in Fluss zu bringen. Die Komplexität dieses Ablaufs kann das riesige Bild Intuition (Rascal, 2017) auf der rech- ten Wand vor Augen führen. Trotz seiner aufwändigen Herstellung wirkt es wie ein fulminanter Wurf!

Mit dem auf der linken Frontwand platzierten Werk Coalescence (Charcoal Black, 2016) klingt erstmals das erwähnte Leitmotiv der Ausstellung an. Die zirkuläre Anlage und die streng geometrische Wie- derholung der Komposition können als Metapher für Rogados ganzes Schaffen stehen, das sich mit grosser Konsequenz und innerer Logik entwickelt und dabei doch spürbar um dasselbe Zentrum kreist. Die Serie wird zugleich zum Parade-Beispiel des „Trompe-l’oeil“, bei dem sich wahrer und falscher Schein begegnen. Dabei geht es Rogado nicht um die Zurschaustellung technischer Brillanz, sondern um eine Verlangsamung der Wahrnehmung, die ein Erkennen des Augentrugs erst möglich macht.

Saal 2: Das schon lange im Durchblick sichtbare Werk Meta 2 (2014) verbindet nicht nur den ersten mit dem zweiten Saal, sondern zugleich die Prinzipien der wolkig sinnlichen Werkreihe Intuition und die geometrische Strenge der Bildfolge Meta. Die wiederkehrende Aufgabe, Extreme in einem har- monischen Ganzen zu versöhnen, wird in diesem prächtigen Gemälde in berückender Weise gelöst.
Der Ort der Farbe wird zum Thema: Während die Farben des Bildgrundes in das Tuch eingedrungen sind, liegen sie bei den geometrischen Formen deutlich darauf, ja setzen sich durch ihre glänzende Oberfläche und strahlenförmige Struktur fast objekthaft ab. Gleichwohl bildet das Bild eine Einheit. Das Licht, das sowohl den weissen Grund wie die spiegelnden Formen strahlen lässt, wird zur ver- bindenden Kraft. Die geometrische Strenge der Meta-Reihe manifestiert sich am deutlichsten beim einzigen Querformat der Ausstellung, bei Meta 4 (2014), dessen Komposition direkt auf den Baum- wollstoff gesetzt ist. Diesem „geerdeten“ und doch in einer lichten Mitte sich öffnenden Werk ant- wortet im dritten Saal das dunkeltonige Hochformat Meta 5 (2015), bei dem die lichten Streifen einen wolkigen Intuition-Grund rahmen und die weiche Fläche als Raumtiefe wirken lassen. Die Dun- kelheit, die auch in weiteren Beispielen der Meta-Reihe auftritt, bereitet den nächsten, abgedunkel- ten Saal vor.

Der vierte Saal wird für eine raumfüllende Installation genutzt. Das für Rogados Schaffen so bedeu- tende Element des Lichtes tritt in Form von Projektionen auf. Für diese schiebt der Künstler Schei- ben von Achat-Steinen wie Diapositive in Projektoren. Das Durchleuchten der bunten Steine wirft Licht-Bilder an die Wand, die manchen von Rogados Gemälden erstaunlich gleichen. Bewusst ver- bindet der Künstler die Einzelprojektionen zu einem wandfüllenden Panorama. Auch wenn er die Steine, deren Schnitte und Abfolge sorgfältig aussucht, lässt er hier gleichsam die Natur „malen“. Auch der fünfte Saal, der sich im zweiten Sammlungsflügel anschliesst, wird in seiner Ganzheit betont: Er wird zum Kabinett für eine Vielzahl von Arbeiten auf Papier, die ihn als nahtloses Band ausmessen. Ihre Entstehung gleicht der prozesshaften Erarbeitung der Bilder. Dient hier der Baum- wollstoff als saugfähiges Material, sind es nun die offenen Papiere, in welche die Farbe tief eindrin- gen kann. Hier wie dort kommt es zu einer reizvollen Verbindung von Färben und Malen. Die „Lich- ter“, mit denen in der Aquarellmalerei die weissen Freistellen des Blattes benannt werden, sind von zentraler Bedeutung, sowohl formal wie inhaltlich. Die Intimität der kleinformatigen Werke ver- stärkt die geistig meditative Wirkung, die in Rogados Schaffen oftmals spürbar wird.

Der sechste Saal nimmt hauptsächlich Werke der Reihe Tendo auf, bei denen Rogado eine fein aus- tarierte Balance zwischen dem Gegebenen eines wolkigen Intuition-Grundes und dem Gesuchten einer darauf antwortenden Komposition findet. Wie immer stellt sich Rogado damit der grundsätzli- chen Aufgabe der Kommunikation und Verbindung. Als Glanz- und Einzelstück tritt auf der zentra- len Kurzwand das Werk Shell (2018) auf, das in seiner raumgreifenden Ausdehnung eine fast monu- mentale Dynamik erreicht und damit an die Tradition freskaler Barockmalerei, ihre atemberau- bende Bildkraft und illusionistische Raumtiefe erinnert.

Der siebte Saal stellt Rogados neueste Bilder vor, zu denen drei Werke mit dem Titel Accord (2019) gehören. Der Titel erinnert an Musikalisches, an das Zusammen- und Fortklingen von Tönen und Rhythmen. Takt und Wiederholung werden bei Rogado mit der Verwendung von Schablonen er- zeugt, mit denen er das lineare Grundmuster seiner Werke komponiert. Beim grössten und jüngsten Werk erhöht er die virtuose Spielfreude, indem er erneut von einem Intuition-Grund ausgeht und mit Form- und Farbvariationen darauf reagiert. Das in fast allen Sälen nur in Einzelbildern anklin- gende Leitmotiv der Coalescence verdichtet sich in den letzten beiden Sälen zum Grundbass. Die fron- talen Schlusswände aber werden bestimmt von lichter Leere. Während das kleinformatige „Rah- men“- oder Spiegel-Bild Zest (2018) die weisse Leere als eigentlichen Inhalt betont, bleibt die dane- benliegende rechte Wand tatsächlich leer. Sie lässt blosses Licht zutage treten.

Christoph Vögele



2019

Desire Path
Book
Verlag für Moderne Kunst  
Kunstmuseum
Solothurn

Texts by Christoph Vögele, Miguel F. Campón
Concept and graphic design by Studio Amanda Haas
Published by Verlag für Moderne Kunst

2019

Slow Change
Solo show 
Galería Kernel
4/24 – 6/5/21 
Cáceres, España

La extrema lentitud del color y la forma

Introduce este texto bajo el agua. Por un tiempo indefinido, deja que la tinta se disuelva. El lenguaje, a veces, no pretende otra cosa, y sabe ser generoso con sus amigos. Nuestros diccionarios podrían ser plantas o animales acuáticos que duermen en el fondo del océano. Se mueven con la delicadeza de las algas, con la suavidad de las esponjas. Para las especies marinas no existe el constante compromiso de leer. Ellas saben que a veces debemos desprendernos de las palabras. Cada palabra posee millones de raíces, y todas quieren ser respetadas. Debemos, entonces, leerlas muy despacio, pronunciarlas con un ritmo lento, desacelerado, como si todavía los pensamientos no hubieran terminado de gestarse.

Bajo el agua, con nuestros idiomas disueltos, debemos posponer nuestra definición sobre las imágenes. Aprender a esperar. Como escribiera Nietzsche en El ocaso de los ídolos, “aprender a ver – habituar el ojo a la calma, a la paciencia, a dejar-que-las-cosas-se-nos-acerquen; aprender a aplazar el juicio, a rodear y abarcar el caso particular desde todos los lados”. Si miramos las imágenes desde este diferimiento del tiempo, podríamos ser semejantes a los pacientes esperadores descritos por Rilke, comportarnos como ellos, como si tuviéramos “por delante la eternidad, de tan despreocupadamente tranquilos y abiertos”. Bajo el agua debemos desarrollar este aprendizaje de la paciencia, en especial si nos encontramos, sumergidos, con las obras de Giacomo Santiago Rogado.  

En ellas el artista nos muestra todas las variantes y estiramientos de la percepción, un tiempo opuesto a la velocidad y al progreso moderno. Las formas de Rogado aparecen como aperturas ralentizadas. Su tacto toca el lienzo con la sensibilidad del descubrimiento. La caricia de la mano, como el fuego, prende su intimidad. Como si fueran organismos simples o unicelulares, las formas flotan serenas, y su vacío nos recuerda que el interior de las cosas puede moverse como las hojas o como el polvo de una galaxia lejana. Aquí, sobre el lienzo, el refinamiento-silencio sucede, vibra, como si el mundo fuera un cosquilleo bajo los párpados.

Las manchas de Giacomo Rogado piensan sobre las cuestiones más sencillas. Pierden teorías. Crecen como un biorritmo desenfocado, vegetal, difuso, en un paisaje intangible donde todo puede suceder. Poseen el romanticismo de la proximidad, una dimensión atmosférica de espacio-polen, un espacio de belleza congestionada donde el mundo se configura con la sustancia de un algodón sensitivo, capaz de absorber y reaccionar a diferencias y matices impensables para nosotros. 
Podríamos decir que, en las pinturas de Giacomo Rogado, los colores más pequeños se sientan a meditar. Cumplen un proceso de lenta convalecencia. Tras un colapso conceptual, han decidido detenerse. Pensar. Respirar. Pacificarse. Cuidarse a sí mismos. Observando y dejando ser a los detalles infinitos del mundo, se recuperan. Podrían, incluso, llegar a decir “yo”, desde la tranquilidad mágica que se atreve a perder su sabiduría. Con sus contornos amablemente indefinidos se disuelven, ensanchándose, desplegándose alegre y pacientemente, entre los otros, como si la luz se reuniera con sus compañeros más queridos para experimentar la sensibilidad de un lenguaje que no puede decirse de otro modo, solo en la coexistencia serena de un palabra-pétalo o de una palabra-nube. Intenta silabear tus células con el espíritu.

Azul / Rosa. Podemos imaginar a dos mundos chocando lentamente, en un accidente proyectado a una velocidad muy baja. Y encontrar en ello un enigma.

Verde / Naranja. Podemos imaginar un encuentro de dos seres que permanecen próximos, sin tocarse. Y descubrir en ello un encantamiento.

Rojo / Violeta. Sé permisivo con el tiempo. Deja que se abra para sí mismo. Los segundos, como un hormigueo, te abrazarán.

Bajo el agua, los ojos siempre pueden abrirse más despacio. Hacer que los pigmentos acontezcan como una leve presencia. Hay, en el lienzo, mucho tiempo que recuperar. Mucha materia que aceptar. No importa si no reconocemos las cosas. Lanzaremos la memoria al futuro para que caiga, como una piedra, rodando hacia nosotros. La tierra pulirá nuestras pertenencias, y cuando nada sea nuestro, seremos limados por la esperanza. Todas las cosas que se llamaron, antiguamente, “ser”, se ayudarán entre sí. Su luz terminará por darnos la vuelta, y recordaremos que, cuando éramos niños, aquel mar que nos pareció enorme nunca dejó de crecer. Amaremos lo que, sin hacer ruido, viene a nuestro encuentro, como lo hacen las obras de Giacomo Rogado.

Podrías contarme, hoy, la historia de los colores. No quiero saber el comienzo. Tampoco el final. Solo me gustaría escuchar qué sucedió, si es que algo pudo suceder. Quisiera saber por qué nunca pudimos tocarlos, por qué hacen de nosotros átomos pulverizados que duermen y despiertan ante una belleza no explorada. Cuéntame, hoy, la historia no dicha, siempre infinita, de los colores. Aquí, bajo el agua.


Miguel F. Campón